Gesehen auf https://www.ostsee.de/schon-gewusst/meiofauna.php am 21.12.2024
Meiofauna - spektakuläre Tierwelt im Ostseesand
Wer am Ufersaum des Badestrandes entlangläuft, ahnt nicht, dass unter seinen Füßen ein reges Treiben herrscht. In den Spalträumen zwischen den Sandkörnern lebt eine riesige Anzahl winziger Tiere, deren Vielfalt und Exotik bei näherer Betrachtung überrascht und fasziniert.
Die engen, unendlich weit verzweigten, mit Wasser gefüllten Hohlräume im Sand werden von Arten
unterschiedlichster Tierstämme besiedelt. Es sind vor allem Würmer, Krebse und Milben, die sich durch
geringe Körpergröße, meist wurmförmige Gestalt und eine besondere Lebensweise
hervorragend an diesen Lebensraum angepasst haben. Da sie durchweg kleiner als einen Millimeter
sind, werden sie als eine spezielle Tiergruppe unter der Bezeichnung „Meiofauna“ zusammengefasst.
Während der Sandstrand zu fast allen Jahreszeiten und ganz besonders im Sommer für viele Menschen
ein gern aufgesuchter Aufenthaltsort ist, sind die dort herrschenden Lebensbedingungen für die in
diesem Bereich vorkommenden Tiere eher extrem unwirtlich.
In der Übergangszone zwischen Land und Meer wechseln die Umweltbedingungen ständig und sehr deutlich. So
bewirken unterschiedliche Wasserstände im Uferbereich, dass Wellen hier besonders stark auf
den Meeresboden einwirken und zeitweise sogar weite Flächen trockenfallen.
Die Meiofauna ist den ständigen wechselnden Witterungsbedingungen unmittelbar ausgesetzt.
Starker Regen verdünnt das salzige Seewasser beträchtlich, sodass ein Überleben für die an Salzwasser angepassten
Meerestiere problematisch wird. Und wenn kurze Zeit darauf die trockengefallene Fläche intensiver
Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist, können hohe Temperaturen für die unter der Sandoberfläche
lebenden Tiere ebenfalls lebensgefährlich werden. Hinzu kommt, dass es zeitweise an
lebensnotwendigem Sauerstoff mangelt.
Es gibt nicht sehr viele Arten, die unter solchen extremen Bedingungen existieren können. Aber die
wenigen, die diesen Lebensraum für sich erfolgreich erschlossen haben, kommen oft in unglaublich großer
Zahl vor.
Obwohl wir von diesem regen Treiben im Sand nichts wahrnehmen, bilden diese Lebewesen neben den uns wohlbekannten Muscheln, Schnecken, Meeresringelwürmern, Krebsen und den außerdem in unermesslich großer Zahl vorkommenden Einzellern, Algen und Bakterien ein nicht zu vernachlässigendes Element im Ökosystem der Küste.
Sie sind nicht nur eine Nahrungsquelle für viele Fische und andere größere Tiere und damit ein wichtiges Glied in der letztendlich bis zum Menschen reichenden Nahrungskette, sondern sind in erheblichem Maße am Stoffumsatz im Meer beteiligt.
Da sie im Jahresverlauf mehrere Generationen bilden, produzieren sie trotz ihrer geringen Größe
bedeutende Biomassen. Allein die Fadenwürmer (Nematoden), die mit circa 1 500 Tieren pro
zehn Quadratzentimeter vorkommen, von denen ein Einzeltier im Durchschnitt nur zwei Mikrogramm wiegt,
bilden im Ufersaum drei Gramm pro Quadratmeter. Bei etwa sieben Generationen im Jahr sind das schon
21 Gramm pro Quadratmeter.
Das bedeutet, dass allein diese winzigen Würmer auf einer Fläche von einem Quadratkilometer
jährlich circa 21 Tonnen Biomasse erzeugen. Und Meiofauna lebt auf dem Meeresboden überall,
sogar in den tiefsten Zonen der Tiefsee!
Bilder/Zeichnungen: Professor Arlt
(alle Angaben ohne Gewähr, Änderungen vorbehalten)